Im ersten Artikel habe ich berichtet, wie sich für uns – aus heiterem Himmel – eine Gelegenheit zur eigenen Zahnarztpraxis ergeben hatte. Der zweite Artikel handelt von den organisatorischen Hürden und der Planung unserer Praxis. Im dritten Teil möchte ich von der Woche nach Weihnachten berichten, in der wir durch harte Maloche die Räume für die Entstehung unserer Praxis vorbereiteten.
Der Startschuss für das Projekt „Eigene Zahnarztpraxis“ fiel am 27. Dezember 2019 um 9:00 Uhr. Ein Tag nach Weihnachten – die Bäuche voll vom leckeren Weihnachtsessen und all den vielen Naschereien – lautete das Motto „Ran an den Speck“! Und dies sogar im doppelten Sinne. Dem überschüssigen Speck der alten Praxis ging es endlich an den Kragen. Für ihn gab es kein Entkommen. In unserer Idee von einer modernen Zahnarztpraxis hatten die in die Jahre gekommene Einrichtung und die alten Geräte keinen Platz. Und der über die Weihnachtsfeiertage angesammelte Speck musste wieder runter von unseren Hüften. Dazu bot die anstehende, intensive Arbeit auf der Baustelle die perfekte Gelegenheit.
Erste Etappe: Wo sind die Umzugskartons? Wir brauchen noch mehr Umzugskartons!
Die festen Termine für die Erweiterung der Elektrik und sanitären Installation gaben den Ton an. Das bedeutete, dass die Praxis in nur 7 Tagen in einen Rohbauzustand gebracht werden musste. Was sich zunächst nach erstaunlich viel Zeit anhörte, war letztlich eine ziemlich knappe Kiste. Denn die Arbeiten wollten scheinbar nicht aufhören. Zunächst mussten die alten Akten sorgfältig verpackt und archiviert werden. Die Büromaterialien mussten begutachtet werden. Brauchbares wurde sicher verpackt. Unbrauchbares wanderte in die Tonne. Frei nach dem Motto: „Das Gute ins Töpfchen und das Schlechte ins Kröpfchen“. Die Entscheidung fiel uns oft nicht leicht und nahm entsprechend viel Zeit in Anspruch. Die PCs, Drucker, Kabel, Praxisgeräte, Besteck, Materialien etc. mussten ebenfalls abgebaut, eingepackt und sorgfältig und sicher verstaut werden. Zwei ganze Arbeitstage und gefühlt eine Marathondistanz (ca. 42km) später war alles Brauchbare perfekt verpackt und verstaut und alles Unbrauchbare entsorgt. Tschakka!
Zweite Etappe: Schwing den Hammer
Ab hier waren Muskelkraft und viel handwerkliches Geschick nötig. Ein Glück, dass unser Team mit beiden Eigenschaften aufwarten konnte. Mit unserem Team meine ich unseren Vater und seinen guten Kollegen, unsere Ehemänner und unseren Bruder. Es blieben nur noch 5 Tage, in denen zunächst die alte Anmeldung samt aller Schränke, die Behandlungszeilen aus den Zimmern, die Küchenschränke, die Möbel aus dem alten Büro und die Schränke aus dem „Steriraum“ abgebaut und rausgeworfen werden mussten. Während die Büro- und Küchenmöbel dank Hammer und Akkuschrauber vergleichsweise leichte Gegenspieler waren, setzten die Behandlungszeilen unserem Team ordentlich zu. Sie saßen buchstäblich bombenfest in den Wänden, hatten Korpusse aus Metall, waren durch zahllose Schrauben kompliziert miteinander verbunden und natürlich extrem schwer. Kurzum: gemacht für die Ewigkeit und nicht dazu bestimmt von seinem angestammten Ort mal eben wieder fortbewegt zu werden. Für diese Aufgabe war der Kollege unseres Vaters genau der Richtige. Ich habe seine Geduld und sein Geschick bewundert. Emsig tüftelte er fast im Alleingang solange an den Schränken bis sie in ihre Einzelteile zerlegt waren und auf den Wertstoffhof befördert werden konnten. Drei Tage und Unmengen an Kaffee sowie Weihnachtskeksen später waren die Wände so gut wie freigeräumt.
Dritte Etappe: „Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt“ – Johann Wolfgang von Goethe
Wir waren stolz auf unseren Arbeitsfortschritt und davon überzeugt alles rechtzeitig zu schaffen, sodass die Handwerker einen idealen Zustand vorfinden würden. Aber tatsächlich hatten wir unseren schwierigsten Gegner zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht vor Augen, obwohl wir Tag ein, Tag aus an ihm vorbei und hindurch gelaufen sind. Und das war die völlig unterschätzte Türenfraktion der Marke „Eiche rustikal“ (Baujahr 1980er). Für uns war von Anfang an klar, dass diese Türen nicht unserer Vorstellung von einer modernen, zeitgemäßen Praxis entsprachen. Diese Türen hätten das Gesamtbild gestört und zerstört. In unserer Praxis sollten stattdessen helle, leichte und schöne Türen aus Glas Einzug halten. Doch vorher mussten die alten Türen und Zargen rausfliegen. Was als Idee so einfach klang, war in der Umsetzung das komplette Gegenteil davon. Denn die „Eiche rustikal“ war mit den Behandlungszeilen aus den Zimmern in den entscheidenden Merkmalen stark verwandt. Erstens bombenfest verklebt, vernagelt, vernietet und verschweißt (ok, das ist übertrieben, aber der Kleber war wirklich nicht von dieser Welt). Und zweitens waren die Türen schwer wie Blei. Mit einfachem Werkzeug war da nichts zu machen. Nach mehreren Stunden vergeblichen Versuchens, war unser Traum von hellen, leichten und schönen Türen aus Glas bereits in weite Ferne gerückt. Allein der Erfahrung unseres Vaters, mehreren schweren Hämmern und reiner Muskelkraft war es zu verdanken, dass wir auch den schwersten Gegner in die Knie zwingen konnten.
Die letzten beiden Gegenspieler standen den 40 Jahre alten Türen in Punkto Gruselfaktor in nichts nach und mussten daher ebenfalls des Feldes verwiesen werden. Das waren die Gebrüder Fliesenspiegel (in fast allen Räumen) aus den 80ern und deren gleichaltriger Kumpel Herr Teppichboden. Nach der Erfahrung mit den Türen befürchteten wir schon das Schlimmste. Doch zu unserer aller Erleichterung waren diese letzten beiden Hürden vergleichsweise einfach zu überwinden. Und das war schlicht und einfach unser Glück. Denn es war bereits der letzte Tag, bevor die ersten Handwerker mit ihrer Arbeit beginnen sollten. Am Ende des Tages waren wir erschöpft, aber zufrieden mit unserer Leistung. Und wir freuten uns auf die kommenden Wochen, in denen nach und nach eine Zahnarztpraxis nach unserer Vorstellung entstehen würde.
Davon erzähle ich im nächsten Artikel. Bis bald.
Dr. Heike Grieco